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MCAS: Covid-19, Long Covid, Impfreaktion

Bei schweren COVID-19-Verläufen kann man eine Überreaktion des Immunsystems feststellen, die mit einer unkontrollierten Überproduktion an Entzündungsmediatoren im ganzen Körper und besonders im Lungengewebe einhergeht, einem sogenannten “Zytokinsturm” (Chen et al., 2020). Dabei spielen Makrophagen und Mastzellen eine zentrale Rolle. Mastzellen zählen zu den weißen Blutkörperchen und sind für die unspezifische Immunabwehr von besonderer Bedeutung. Jede allergische (z. B. auf einen Bienenstich) und pseudoallergische Reaktion (z. B. Histaminintoleranz) wird von Mastzellen  vermittelt.

Mastzellen werden als Reaktion auf einen Kontakt mit Krankheitserregern wie Viren, Bakterien oder Parasiten sowie Allergenen aktiv. Sie kommen über den ganzen Körper verteilt im Bindegewebe vor, am häufigsten in der Submukosa von Darm und Atemwegen und in der Lederhaut, in der Nähe von Gefäßen und Nerven. Die multifunktionalen Immunzellen helfen eine Infektion zu bekämpfen, indem sie zahlreiche verschiedene Stoffe wie Entzündungsmediatoren, Zytokine und Histamin freisetzen und die Immunabwehr koordinieren.

Die von den Mastzellen ins Bindegewebe entlassenen Substanzen sind vor allem:

  • Histamin (u. a. Gefäßerweiterung, Ödembildung, Anlocken von Entzündungszellen)
  • Heparin
  • Serin-Proteinasen (aktvieren die Entzündungskaskade des Komplementsystems)
  • Prostaglandine (Schleimproduktion, Kontraktion der Atemwegsmuskulatur)
  • Leukotriene (Kontraktion der Atemwegsmuskulatur, Gefäßerweiterung, erhöhte Gefäßdurchlässigkeit)
  • Zytokine (Entzündungsbotenstoffe)

Genau diese Prozesse und Stoffe spielen bei COVID-19, der COVID-Lungenentzündung und bei Long Covid eine zentrale Rolle. Die Aktivierung der Mastzellen ist dafür maßgeblich verantwortlich.

Hyperaktive Mastzellen schädigen Lunge, Herz und andere Organe

Das Virus SARS-CoV-2 aktiviert die Mastzellen, woraufhin diese Zytokine und Histamin ausschütten, was übermäßige antivirale Immunreaktionen auslösen und die Entwicklung eines Zytokinsturms verursachen kann. Bei dem Zytokinsturm kommt es zu einer Kaskade von immer stärkeren Immunreaktionen, die das Immunsystem erschöpfen, was schließlich zu Organversagen (Lunge, Herz, Nieren u.a.) und tödlicher Atemnot führen kann (Hafezi et al., 2021). Die Mastzellen schütten auch Heparin aus, das wiederum die Bildung von Bradykinin fördert (Oschatz et al., 2011). Der Bradykininsturm bei COVID-19 beruht stark auf überaktiven Mastzellen.

Bei der Autopsie von Patienten, die an COVID-19 verstorben waren, wurde eine Anhäufung von Mastzellen in der Lunge festgestellt. Diese wurde als Ursache für Lungenödem, Entzündung und Thrombose vermutet (Hafezi et al., 2021). Es konnte auch nachgewiesen werden, dass die Mastzellen bei Patienten mit COVID-19 vermehrt aktiviert sind – in Abhängigkeit vom Schweregrad der Erkrankung (Tan et al., 2021).

Symptome des Mastzell-Aktivierungssyndroms (MCAS) ähneln COVID-19-Erkrankung

Beim Mastzell-Aktivierungssyndrom (MCAS) sind die Mastzellen „hyperaktiv“ und schütten zu viel Histamin und andere Botenstoffe aus. MCAS ist eine chronische Multisystemerkrankung mit entzündlichen und allergischen Komponenten. Die Mastzellen werden von IgE und Zytokinen aktiviert, aber auch von Umweltfaktoren (z.B. Hitze, Kälte), Allergenen, Lebensmitteln, Infektionen, bestimmten Medikamenten, Drogen und körperlichem oder psychischem Stress (Petra et al., 2014).

Die Symptome des MCAS sind unspezifisch und betreffen vor allem die Haut, den Magen-Darm-Trakt, das Herz-Kreislauf-System, die Atemwege und neurologische Systeme, u.a. niedriger Blutdruck, schneller Puls (Tachykardie), Durchfall, Bauchkrämpfe, Übelkeit, Hautrötung, Juckreiz, Nesselsucht, Angioödeme, verstopfte Nase und Kopfschmerzen (Valent, 2013; Frieri, 2018). Oft steckt auch hinter Herzrhythmusstörungen ein MCAS. Meist ist eine Kombination verschiedener Symptome vorhanden. Die Symptome lassen auch an eine Histaminintoleranz (HIT) denken. Tatsächlich ist eine HIT in den meisten Fällen eigentlich ein Mastzell-Aktivierungssyndrom mit vermehrter Bildung von Histamin durch die Mastzellen.

Viele der Symptome bei MCAS gleichen denen bei einer akuten COVID-19-Infektion bzw. Long Covid (siehe Tabelle 1). Auch ein Großteil der Hyperinflammation (schwere Entzündungsreaktion), die bei COVID-19 auftritt, entspricht denjenigen Entzündungsformen, die durch eine Mastzellaktivierung ausgelöst werden können.

Nach einer Corona-Infektion tritt vermehrt das posturale orthostatische Tachykardiesyndrom (POTS) auf, welches ein mögliches Long Covid-Symptom ist (Johansson et al., 2021). Patienten mit POTS weisen häufig auch nicht-orthostatische Symptome auf wie Migräne, allergische Beschwerden, Hautausschlag oder Magen-Darm-Symptome. In einer Studie von Kohno und Kollegen (2021) wurden diese Patienten auf MCAS-Mediatoren getestet (Plasma- oder Urin-Prostaglandine, Plasma-Histamin, Urin-Methylhistamin, Plasma-Tryptase). Von den 44 Patienten hatten 29 mindestens 1 Laborwert, der auf MCAS hinweist, bei 11 Patienten waren es 2 oder mehr Werte. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass POTS häufig mit einem MCAS einhergeht. Long Covid-Patienten mit POTS, die verschiedene Antihistaminika einnehmen, erfahren häufig eine signifikante Besserung.

Organ/SystemSymptom/Befund
Konstitution
Müdigkeit, Fieber, Schüttelfrost, Gewichtsverlust,  Gewichtszunahme
Ohren, Nase und Rachen

Bindehautentzündung, Schnupfen, Nasennebenhöhlenentzündung, Störung oder Verlust des Geruchs- oder Geschmackssinns, Tinnitus, Hörverlust, Halsschmerzen
Nerven
Kopfschmerzen, Migräne, Bewusstseinstrübung, Angstzustände,  Depressionen, Schlaflosigkeit, Krampfanfälle
Herz-Kreislauf Lunge
Schmerzen in der Brust, Herzklopfen, niedriger Blutdruck,  Herzrhythmusstörungen
LungeHusten, Atemnot, Keuchen
Urogenital-Trakt

Häufigkeit und Dringlichkeit des Wasserlassens, Dysurie (erschwertes oder schmerzhaftes Wasserlassen), Schmerzen im Beckenbereich,  LUTS (Symptome des unteren Harntraktes) bei Frau und Mann
Speiseröhre
Sodbrennen, Schluckstörung, Globusgefühl („Kloß im Hals“),  Brustschmerzen
MagenDyspepsie (Oberbauchbeschwerden), Übelkeit, Erbrechen
Dünndarm und Dickdarm
Blähungen, Nahrungsmittelunverträglichkeit, Bauchschmerzen,  Durchfall, Verstopfung
LeberErhöhte Transaminasen (spezifische Enzyme), Lebervergrößerung
SpeicheldrüsenAnschwellen
LymphgefäßeSchwellung der Lymphknoten
Haut
Rötung, Juckreiz, Urtikaria (Nesselsucht), Hämangiome  (Blutschwämmchen), Knötchen, Hautausschläge, Haarausfall
MuskuloskelettalMuskel- und Gelenkschmerzen, Ödeme

Tabelle 1: Beteiligung von Organen und Systemen beim Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS). Die kursiv hervorgehobenen Zustände treten auch bei einer akuten COVID-19-Infektion und/oder Long Covid-Syndrom auf (Afrin et al., 2020a).

Mastzellaktivierung bei 17 % der Deutschen, aber meist nicht diagnostiziert

MCAS ist in Deutschland bei 17 % der Bevölkerung verbreitet (Molderings et al., 2013). Aufgrund der schwierigen und teils restriktiven Diagnose (s.u.) ist MCAS stark unterdiagnostiziert. Die Verbreitung und Bedeutung von MCAS in der Bevölkerung ist daher auch den meisten Ärzten nicht bekannt.

Dies Prävalenzzahl des MCAS von 17 % stimmt sehr eng mit den Schätzungen zur Prävalenz eines schweren Krankheitsverlaufes überein. Dem hyperinflammatorischen Zytokinsturm bei schweren COVID-19-Fällen könnte in vielen Fällen eine dysfunktionale Reaktion der Mastzellen im Rahmen eines MCAS zugrunde liegen – und nicht die normale Reaktion der Mastzellen. MCAS ist somit ein prognos- tischer Faktor, der einen schweren COVID-19-Krankheitsverlauf sowie Long Covid wahrscheinlicher macht.

Diese Erkenntnisse sind therapeutisch und prognostisch von enormem Nutzen (Afrin et al., 2020a). Bei allen Allergien und Pseudo-Allergien, insbesondere Histaminintoleranz, spielen Mastzellen eine wesentliche Rolle. Auch bei Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose, Rheuma u.a. sind hyperaktive Mastzellen involviert. Dies wird bei der Behandlung jedoch nicht berücksichtigt (Brown und Hatfield, 2012; Xu und Chen, 2015).

Merke: Personen, die eine erhöhte Mastzellaktivierung (Allergien, Unverträglichkeiten, Autoimmunerkrankungen) oder Histamin-Intoleranz haben, müssen mit einem schwereren COVID- 19-Krankheitsverlauf rechnen.

Da es sich aber um eine recht spezifische Reaktion der Mastzellen auf das Spike Protein handelt, ist die individuelle Reaktion auf eine Impfung oder auf COVID-19 schwer voraussagbar. Manche Personen mit MCAS haben keine Impfreaktion, während andere, die bisher keine typischen und ausgeprägten MCAS- Symptome haben, eine starke Mastzell-Reaktion zeigen. Die MCAS-Symptome entwickeln sich dann erst durch die Erkrankung, bei Long Covid oder nach der Impfung. Nach einer Impfung verschwinden sie in der Regel wieder – im Gegensatz zu einer echten Covid-19-Erkrankung.

Diagnose und Behandlung von MCAS

Aufgrund der vielfältigen Symptome ist die Diagnose von MCAS äußert schwierig. Häufig durchlaufen betroffene Patienten einen jahre- bis jahrzehntelangen Ärztemarathon, um irgendwann – hoffentlich – die richtige Diagnose zu erhalten. Doch vielen Ärzten ist das Krankheitsbild gar nicht bekannt. Erst 2016 wurden Mastzellaktivierungsstörungen ein ICD-10-Code (internationalen Klassifikation der Krankheit) zugeordnet.

Zwei aktuelle Konsensuspapiere stellen diagnostische Kriterien für MCAS auf (Valent et al., 2019; Afrin et al., 2020b). Sie weisen einige Unterschiede auf, stellen aber beide klinische Symptome und Labormarker in den Vordergrund. Für Valent et al. sind erhöhte Mastzellmediatoren obligatorisch, für Afrin et al. dagegen nicht.

Afrin et al. (2017) empfehlen vor allem folgende Kriterien:

(1) Symptome, die auf eine MCAS hindeuten,

(2) Anzeichen/Symptome, die mindestens zwei Organsysteme betreffen, und 

(3) das Fehlen einer anderen erklärenden Erkrankung.

Bei der MCAS-Diagnose ist das Vorhandensein der entsprechenden Symptome also der wichtigste Faktor. Daneben können Biopsien verschiedener Organe auf Mastzellen untersucht und eine begrenzte Zahl an Laborparametern (die Mastzellmediatoren Histamin, Methylhistamin und Prostagladin D2 in Blut oder Urin) bestimmt werden (Afrin et al., 2020b).

Mastzellen degranulieren jedoch in Schüben und schütten ihre Botenstoffe nicht ständig aus. Die Laborparameter sind daher meist nur innerhalb von vier Stunden nach einem Schub erhöht und nicht in den Intervallen. Da Patienten im symptomatischen Schub selten in der Lage sind, einen Arzt aufzusuchen, fallen die Laborergebnisse häufig falsch negativ aus. Die bei Dermatologen beliebte Tryptase ist nur bei Mastozytose erhöht; bei MCAS ist sie meist nicht oder nur zeitweise erhöht (Kacal at al, ). Ein empfehlenswerter Marker ist das Methylhistamin im Urin. Hierfür sollte bestenfalls der Urin innerhalb von vier Stunden nach einem schweren Schub (z.B. Ödeme, Erröten “Flush”, Urtikaria, schwere Magen-Darm-Beschwerden, etc.), also nach der erfolgten Mastzell-Degranulation, gesammelt werden (Shibao et al., 2005).

Fehlende Auffälligkeiten bei Laborwerten und Biopsien sollten nicht zum Ausschluss der Diagnose führen. Ein mit MCAS erfahrener Diagnostiker ist hier wesentlich hilfreicher als ein Fragebogen oder Labortest. Auch die Besserung der Symptome durch die entsprechenden Medikamente trägt zur Diagnosestellung bei.

Falls MCAS durch einen akuten Infekt ausgelöst wurde – was häufig der Fall ist –, ist der Infekt auszuheilen. Oft können die Viren chronisch persistieren, weshalb die Mastzellen überaktiviert bleiben. Dies dürfte zum Teil auch auf Long Covid zutreffen, aber auch auf andere virale oder bakterielle Infekte.

MCAS kann deutlich verbessert und die Symptome gelindert werden. Das Beseitigen der Trigger – von Viren, Bakterien, Stress, bestimmten Nahrungsmitteln bis hin zu Hitze oder Kältereizen – ist der erste und wichtigste Schritt. Zusätzlich geschieht dies vor allem durch eine Stabilisierung der Mastzellen (Mastzellstabilisatoren) und der Hemmung der Histaminwirkung (Antihistaminika). Hierfür stehen verschiedene Medikamente, Pflanzenstoffe, Vitamine und andere Mikronährstoffe bereit, die erhebliche Besserung verschaffen und die Lebensqualität deutlich verbessern können.

Behandlung der Mastzellaktivierung bei COVID-19

Die Linderung des Zytokinsturms und Hemmung der Freisetzung von Mastzellmediatoren ist entscheidend für die richtige Behandlung der Patienten und könnte den Schweregrad von COVID-19 erheblich verringern. Medikamente gegen die Funktion der Mastzellen oder deren Mediatoren haben sich bei COVID-19 bereits als hilfreich erwiesen und könnten für die Behandlung von großem Nutzen sein (Afrin et al., 2020a; Hafezi et al., 2021). Antiallergische Medikamente (Ketotifen), Antibiotika (Clarithromycin) und besonders Kortikosteroide (Hydrocortison, Dexamethason) haben sich in Studien als hochwirksame Mastzellenstabilisatoren erwiesen. Diese häufig verwendeten Medikamente könnten daher auch bei der Behandlung von COVID-19 und Long Covid hilfreich sein (Kazama, 2020).

Dexamethason hat sich als das zurzeit wohl wirkungsvollste Medikamente bei COVID-19 etabliert, hat aber leider auch die stärksten Nebenwirkungen.

Nebenwirkungen von COVID-19-Impfungen

Impfreaktionen beruhen ebenso wie schwere COVID-Verläufe oft auf einem Mastzellaktivierungs- syndrom. Wer mit starken Nebenwirkungen auf eine Impfung reagiert, hätte im Falle einer Erkrankung mit COVID-19 vermutlich einen sehr schweren Krankheitsverlauf erlitten. Mit den richtigen Maßnahmen können die Mastzellen in Schach gehalten und die Impfnebenwirkungen deutlich reduziert werden.

Behandlung der Mastzellreaktion bei (Long) COVID und Impfung 

Natürliche Mittel zur Stabilisierung von Mastzellen

Schwere COVID-19-Krankheitsverläufe, Long Covid und Impfreaktionen beruhen vor allem auf einer Überreaktion der Mastzellen. Der Fokus sollte daher darin liegen, diese zu stabilisieren (Raymond, Ching-A-Sue und Van Hecke, 2020). Sowohl bei COVID-19 und LongCovid als auch gegen Impfreaktionen sind in diesem Zusammenhang VitaminD3+K2, Quercetin(-Phospholipid) und Vitamin C sinnvoll, da sie alle Mastzell-stabilisierende Effekte haben und somit anti-histamin wirken. Auch antientzündliche Pflanzenstoffe wie Boswellia und Curcumin sind empfehlenswert, weil sie die von Mastzellen angestoßene Entzündungskaskade hemmen. Unterstützend wirken auch MSM, Katzenkralle und OPC.

Eine isotone Basenkur mit 2 l Wasser und Citrat-Mineralstoffen über den Tag verteilt unterstützt diese Wirkung sehr gut, da sie die Durchblutung fördert sowie die COVID-bedingten Mineralstoffdefizite und Übersäuerung ausgleicht. Sinnvoll sind pro Tag etwa 1500 mg Kalium, 375 mg Magnesium und 550 mg Calcium als Citrat oder Laktat. Diese Trinkkur ist auch empfehlenswert vor und nach einer Impfung und bei Long Covid. Wasser ist ein natürliches Antihistaminikum und die Basis der Therapie.

Vitamine D, Vitamin K und Vitamin C

Vitamin D wird zur Stabilisierung der Mastzellen benötigt. Ein Vitamin-D-Mangel führt zu einer Aktivierung der Mastzellen (Liu et al., 2017). Interessanterweise können Mastzellen selbst die Vitamin- D-Vorstufe Calcidiol in das aktive Vitamin D Calcitriol umwandeln. Beide Vitamin-D-Formen hemmen die Produktion proentzündlicher und gefäßerweiternder Botenstoffe durch die Mastzellen (Yip et al., 2014; Baker et al., 2015). Neben Vitamin D nimmt auch Vitamin C positiven Einfluss auf die Zytokin- Produktion und unterdrückt u. a. die Bildung von Interleukin-6. Vitamin C neutralisiert zudem überschüssiges Histamin.

Die Aktivierung der Mastzellen ist abhängig von einem Anstieg der intrazellulären Calcium- Konzentration und dem Einstrom von Calcium-Ionen aus dem extrazellulären in den intrazellulären Raum (Frydas, 2017). Hierauf beruht die Wirkung der Calcium-Kanal-Blocker (z. B. Cinnarizin) zur Stabilisierung der Mastzellen. Vitamin K2 hilft den Calcium-Haushalt zu normalisieren und agiert wie ein milder Mastzellstabilisator (Kimura et al., 1975). In Studien an Ratten führte Vitamin K2 (Menaquinon) zur signifikanten Hemmung der Mastzell-Degranulation (Kimura et al., 1975). In einer klinischen Studie wurden 191 Patienten mit Asthma bronchiale ein Jahr oder länger mit Menachinon behandelt. In Abhängigkeit von dem Schweregrad der Erkrankung zeigte sich bei 73 bis 91 % der Patienten eine lindernde Wirkung (Kimur et al., 1975).

Das natürliche Mastzellstabilisator Quercetin verkürzte COVID-Hospitalisierung um 77 % und verhinderte COVID-Tod

Quercetin stabilisiert die Mastzellen und hemmt so die Freisetzung von Histamin, Zytokinen und Interleukinen. Quercetin ist schon lange als hochwirkungsvoller Pflanzenstoff bekannt, dessen Anwendung aufgrund schlechter Bioverfügbarkeit klinisch bisher wenig erfolgreich war. Erste klinische Studien zu Quercetin mit verbesserter Bioverfügbarkeit weisen beeindruckende Ergebnisse gegen COVID-19 auf: Eine Studie untersuchte den Einfluss von Quercetin-Phospholipid auf den Krankheitsverlauf bei COVID-19. 76 Patienten bekamen im frühen Krankheitsstadium 30 Tage lang zusätzlich zur Standardtherapie Quercetin (2x 200 mg pro Tag als Quercetin-Phospholipid), weitere 76 Patienten wurden ohne Quercetin therapiert. In der Quercetin-Gruppe war die Wahrscheinlichkeit für einen Krankenhausaufenthalt um 68 %, die Dauer der Hospitalisierung um durchschnittlich 77 % und die Häufigkeit einer Sauerstofftherapie um 93 % reduziert. In der Kontrollgruppe benötigten 8 Patienten eine Intensivbehandlung, von denen 3 verstarben. In der Quercetin-Gruppe war keine Intensivbehandlung nötig und es kam zu keinem Todesfall (Di Pierro et al., 2021a).

In einer weiteren Studie mit 42 COVID-19-Patienten trug Quercetin (3×200 mg pro Tag als Quercetin- Phospholipid) zur Reduktion der Symptome (u. a. Fatigue, Müdigkeit, Appetitverlust) sowie zu einem früheren negativen PCR-Test bei. Nach einer Woche hatten in der Quercetin-Gruppe 57 % der Probanden keine Symptome mehr (im Gegensatz zu 19 % in der Kontrollgruppe) und 73 % wiesen einen negativen PCR-Test auf (10 % in der Kontrollgruppe) (Di Pierro et al., 2021b). In beiden Studien erwies sich Quercetin als sicher und nebenwirkungsarm.

Medikamente gegen MCAS

Mastzellreaktionen zu kontrollieren, ist sehr schwierig. Neben den genannten Vitalstoffen verspricht der zusätzliche Einsatz von Antihistaminika bei COVID-19 und Long Covid Linderung. Antihistaminika (H1-Rezeptor-Antagonisten) wie Cetirizin oder Desloratadin sind vielversprechende Therapeutika gegen COVID-19, die bisher kaum Beachtung finden (Hou et al., 2021; Qu et al., 2021).

Bei Desloratadin (alternativ: Cetirizin) und Famotidin handelt es sich um Histaminrezeptorblocker. Diese Medikamente blockieren unterschiedliche Histaminrezeptoren und müssen kombiniert werden. Sie sind rezeptfrei erhältlich, sehr hilfreich und ohne wirkliche Nebenwirkungen (außer ggf. Müdigkeit). Desloratadin stabilisiert zusätzlich Mastzellen, die nicht nur Histamin, sondern auch andere Entzündungsstoffe ausschütten.

Die Kombination ist eine sichere, wirksame Methode, um das Fortschreiten der Symptomschwere und den Krankheitsverlauf abzumildern, vermutlich durch Minimierung des histaminvermittelten Zytokin- sturms (Hogan et al., 2020). Desloratadin bindet zudem an den ACE2-Rezeptor, blockiert damit die Interaktion des Spike-Proteins mit ACE2 und kann so das Eindringen des Virus in die Zelle verhindern (Hou et al., 2021).

Bei Cinnarizin handelt es sich um einen Calciumkanalblocker und ein altes Antihistaminikum mit breitem Wirkspektrum. Die verringerte Calcium-Konzentration in der Zelle führt u. a. zur Stabilisierung der Mastzellen und einer verringerten Histaminausschüttung. Cinnarizin ist der einzige Wirkstoff gegen H1-, H2- und H4-Rezeptoren. Damit kann er auch im Gehirn wirken und lindert Übelkeit und Tinnitus und verbessert die Durchblutung.

Insbesondere vor der zweiten Impfung mit einem mRNA-Impfstoff sind Desloratadin/Cetirizin, Famotidin und Cinnarizin sinnvoll, weil sie die Impfreaktion abmildern. Meistens sollten Desloratadin und Famotidin ausreichen. Andere, nebenwirkungsreichere Impfstoffe sollte man besser meiden oder schon bei der ersten Impfung Mastzell-stabilisierend begleiten.

Dexamethason (Corticosteroid) wirkt in der späten Krankheitsphase von COVID-19 relativ am besten, obwohl es die Immunreaktion gegen das Virus völlig abstumpft. Es schaltet Mastzellen und Entzün- dungen aus. Dexamethason darf nur auf ärztliche Anweisung und in einem späteren Stadium eingenommen werden, denn es blockiert das gesamte Immunsystem und hat daher starke Nebenwirkungen.

Bei MCAS und Bluthochdruck – vor allem starke Schwankungen deuten auf eine Mastzellaktivierung hin – sind Verapamil (vor allem bei Clusterkopfschmerzen) oder Amlodipin Mittel der Wahl, bei denen es sich um blutdrucksenkende Calciumkanalblocker handelt.

Die Dosierungen:

Famotidin: 20–40 mg täglich bei COVID-19 oder 3 Stunden vor der Impfung. Wirkt Magen-Darm- Beschwerden entgegen, die schwerwiegend sein können (Malone et al., 2021). Bei gastrointestinalen Symptomen ist auch Cromoglycinsäure eine Option zur Langzeittherapie.

Desloratadin: 5 mg 3 Stunden vor der Impfung, täglich bei COVID-19. Sehr gut verträglich, hemmt H1- Rezeptor, stabilisiert Mastzellen.

Cetirizin: Alternative zu Desloratadin; 10 mg 1 Stunde vor der Impfung, täglich bei COVID-19.

Cinnarizin: 25–50 mg gegen Übelkeit und Mastzellreaktionen im zentralen Nervensystem. Täglich bei COVID-19 und 2 Stunden vor der Impfung. In vielen Ländern ist es frei erhältlich, in Deutschland heute nur noch in der Kombination Cinnarizin mit Dimenhydrinat. Das ist für die kurzfristige Einnahme bei COVID-19 oder einer Impfung sinnvoll, aber nicht geeignet für eine dauerhafte Einnahme. Es ist besonders wirkungsvoll und wichtig bei Übelkeit bei COVID-19 oder der Impfung.

MCAS und dessen zentrale, nicht beachtete Rolle bei COVID-19 und vielen anderen chronischen Beschwerden ist auch ein wichtiges Beispiel dafür, wie nötig und hilfreich eine integrative, ganzheitliche Medizin ist, um die Pandemie und deren weitreichende Folgen einzudämmen.

Fotocredit: Miguel Á. Padriñán

nachträgliche Ergänzung:

Quercetin-Phospholipid zeigte sich zudem sehr wirksam beim Schutz vor einer Covid-Infektion. In den drei Monaten des Studienverlaufs erkrankten 4 von 60 Teilnehmern der Kontroll­gruppe, die kein Quercetin einnahmen, an COVID-19, während von den 60 Teilnehmern der Versuchsgruppe (2x 250 mg Quercetin-Phospholipid pro Tag) nur einer betroffen war. In einer Modellberechnung hatten die Studienteilnehmer aus der Kontroll­gruppe im Vergleich zur Versuchs­gruppe ein 14-faches Risiko innerhalb von fünf Monaten an COVID-19 zu erkranken (Rondanelli et al., 2022).

Fotocredit: Miguel Á. Padriñán/Pexels

Rondanelli M, Perna S, Gasparri C, et al. Promising Effects of 3-Month Period of Quercetin Phytosome® Supplementation in the Prevention of Symptomatic COVID-19 Disease in Healthcare Workers: A Pilot Study. Life (Basel). 2022;12(1):66. Published 2022 Jan 4. doi: 10.3390/life12010066

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Dr. Jacob leitet das Dr. Jacobs Institut und forscht über komplementärmedizinische Themen, insbesondere Mikronährstoffe, sekundäre Pflanzenstoffe sowie die Therapie und Prävention von Zivilisationserkrankungen durch Veränderungen der Ernährungs- und Lebensweise.