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Zahra Mani Monika Saulich 1

Interview mit Zahra Mani

Wie lange hatten Sie das Reizdarm-Syndrom, bevor Sie sich für die Teilnahme an der Studie entschieden haben? 

Obwohl ich schon über Jahre hinweg immer wieder Probleme mit der Verdauung hatte, haben sie sich üblicherweise nach ein paar Tagen oder Wochen gelegt. Ende 2018 hatte ich die ersten Reizdarm Beschwerden, die trotz diverser Versuche, meine Diät umzustellen und Ursachen für permanente Bauchschmerzen und Krämpfe mit anhaltender Diarrhö zu finden, nicht aufhörten. Es dauerte circa 6 Monate, bevor ich mit meiner Hausärztin, einem Internisten und meinem Gynäkologen sprach – letzteren habe ich angesprochen, weil ich 10 Jahre früher eine Operation für Endometriose hatte und befürchtete, dass die Verdauungsbeschwerden von einer erneuten Endometriose-Erkrankung stammen könnten. Er konnte das ausschließen und empfahl, dass ich eine Behandlung mit Mikrobien ausprobieren könnte. Er war es auch, der mir den Kontakt zur FMT-Studie vermittelte. 

Welche Beschwerden waren über Monate/Jahre täglich federführend? 

Es fing mit Krämpfen, Bauchschmerzen und Durchfall an, sowie schmerzhaften Blähungen. Mein Alltag war extrem davon affektiert. Ich verbrachte täglich mehrere Stunden am WC und war physisch und psychisch schwer tangiert. Ich empfand sowohl körperliche Erschöpfung als auch eine wachsende Verzweiflung, und hatte teilweise sogar Angst, das Haus zu verlassen. Es geschah auch, dass ich unterwegs, beim Einkaufen oder auf der Autobahn plötzlich und dringend ein WC aufsuchen musste. Es ging so weit, dass ich versuchte, Arbeitstermine am Nachmittag zu arrangieren, damit ich ausreichend Zeit in der Früh hatte. Falls ich einen Termin am Morgen wahrnehmen musste, bin ich gegen 5 Uhr morgens aufgestanden und hatte Stress, aus dem Haus zu kommen.  

Welche Einschränkungen haben sich aus den Beschwerden für Sie ergeben (Sport, Essen, Trinken, Freizeitgestaltung)? 

Ich habe mich immer weniger getraut, soziale Termine wahrzunehmen. Ich bin eine Genießerin und esse und trinke sehr gerne. Obwohl keine Diät besonders hilfreich waren, fühlte ich mich am besten wenn ich gekochten Basmatireis zu Hause gegessen habe, und meine kulinarische Bewegungen waren schwer affektiert. Ich habe auch wenig Sport betrieben in der Zeit – ich bin nicht besonders aktiv, wandere aber gerne und habe auch ein Bootslizenz. 2019 bin ich kein einziges Mal am Meer gewesen, und der Energieverlust wurde zu einem Teufelskreis, wo mein Schlappheitsgefühl mich daran hinderte, körperlich aktiv zu werden. Natürlich hatte das auch psychische Auswirkungen, und ich litt unter depressiven Stimmungen und einem Gefühl von Hilflosigkeit. 

Haben Sie alternative Behandlungsmethoden ausprobiert? 

Ich habe gängige Mittel wie Bioflorin, Kijimea oder Omnibiotic ausprobiert – stets ohne Erfolg.  

Wie lange hat es gedauert, bis Sie Ihre Diagnose hatten? Welche Untersuchungen wurden durchgeführt bis die Gewissheit der Diagnose vorlag?  

Die endgültige Diagnose “Reizdarm” kam erst nach circa 9 Monaten. Ein Internist hat das ein paar Wochen davor als “nicht-existierenden medizinischen Begriff” sogar ausgeschlossen, und behauptete, Reizdarm sei lediglich eine saloppe Beschreibung für psychosomatische bzw. medizinsch unerklärlichen Verdauungsprobleme. Bei ihm habe ich einen Bluttest sowie Fruktose und Laktose Intoleranz-Tests gemacht; das Blutbild war unbedenklich und beide Tests waren negativ. Er verschrieb mir Antibiotika, die auch nicht gewirkt haben – danach bin ich nicht mehr zu ihm gegangen, sondern hatte schon Konakt mit dem Team der FMT-Studie. Um die Diagnose zu bestätigen haben sie mich gebeten, aufgrund von meinen leicht erhöhten Leberwerten, einen Leberultraschall zu machen. Auch diese Untersuchung war in Ordnung. Danach wurde ich in die Trial-Gruppe aufgenommen. 

Wie gut konnten Sie Ihrer Arbeit als Musikerin nachgehen? Gab es Beeinträchtigungen? Mussten Sie Konzerte oder Reisen absagen? 

Es ist keine Übertreibung wenn ich sage, dass mir alles, was ich im Jahr 2019 unternommen habe, wesentlich mehr Stress bereitet hat als sonst. Ich arbeite nicht nur als Musikerin sondern komponiere auch und bin Teil von einer kuratorischen Gruppe, die europäische Kulturprojekte entwickelt und realisiert. Ich reiste auch in der Zeit sehr viel für die Arbeit. Ich habe wegen meiner Beschwerden nichts abgesagt, fühlte mich aber durchgehend beeinträchtigt und unter Druck. 

Wo waren Sie bis zur Teilnahme an der Studie in medizinischer Behandlung und wie verlief diese? Gab es kurzfristige Erfolge? 

Wie gesagt, reise ich üblicherweise viel. Ich lebe in der Südsteiermark, wo wir auch ein Studio haben und mehrmals im Jahr Performanceabende veranstalten. Außerdem arbeite ich oft in Wien, und verbringe Zeit in Istrien, wo wir ein altes Steinhaus haben. Bis zur Teilnahme an der Studie war ich viel zwischen diesen Orten unterwegs, und auch auf Konzertreisen nach Italien, Großbritannien, Deutschland und zwei oder drei Mal bei meiner Familie in London.  

Die Behandlung im Rahmen der Studie dauerte circa 3 Monate. Dazwischen war ich hauptsächlich zu Hause in der Steiermark oder in Wien.  

Ich hatte nach dem ersten Screening insgesamt vier Eingriffe – den ersten stationär, die anderen waren ambulant.  

Die Kommunikation mit dem behandelnden Team war sehr fein. Es gab jedes Mal Fragebögen auszufüllen über Symptome und Beschwerden aber auch in Bezug auf den Allgemeinzustand. Ich musste ein “Stuhltagebuch” führen, ansonsten habe ich während der Behandlung ganz normal gelebt. Es war auch im Sinne der Studie, dass ich während der Zeit nichts anderes gegen die Beschwerden machte wie Diätänderungen oder alternative Behandlungen. 

Ich und meine Spenderin – meine Lebensgefährtin – wurden “gescreent” indem unser Blut und Stuhlproben analysiert wurden.  

Die Studie wird “double-blind” geführt – das heißt, dass weder wir noch die behandelnden Ärzte wissen, ob ich meine eigenen (Placebo) Mikrobien oder die meiner Freundin transplantiert bekommen habe. Ich werde erst nach Abschluss der Studie darüber informiert. Meine Freundin und ich sind beide davon überzeugt, dass ich doch ihre bekommen habe – wegen des Erfolgs… 

Nach dem Screening und vor der ersten Behandlung musste ich 10 Tage Antibiotika – Rifaximin – einnehmen. 

Die erste Behandlung war eine volle Koloskopie, die ich unter Sedierung hatte – dabei wurden die ersten Mikrobien transplantiert. Dafür habe ich 2 Nächte stationär verbracht. Die nächsten zwei Behandlung waren nur Sigmoidoskopien. Die erste hatte ich ohne Sedierung, was nicht so angenehm war, und die dritte dann wieder mit. 90 Tage später bin ich noch zu einer Abschlussuntersuchung gegangen. 

Es gab tatsächlich rasch Erfolge. Nach der ersten Behandlung ist es mir gleich wesentlich besser gegangen. Meine Mutter hat gescherzt, dass das vielleicht nur mit der Entleerung vor der Koloskopie zu tun hatte, aber die Wirkung hat tatsächlich angehalten.  

Komischerweise ist mir nach der zweiten Behandlung wieder schlechter gegangen, was mich sofort wieder entmutigt hat. Ich habe, wahrscheinlich irrational, gedacht, dass der Discomfort der Behandlung ohne Sedierung zu der nicht-Wirkung beigetragen hat. Trotzdem ist mir nach der letzten Transplantation wieder wesentlich besser gegangen, was bis heute anhält. 

Wie haben Sie von der Möglichkeit zur Teilnahme an der Studie zur Stuhltransplantation erfahren? 

Einen Freundin, die als Kunsttherapeutin arbeitet, hat mir als erste davon erzählt. Den Kontakt zur Studie kam aber von meinem Gynäkologen in Villach, der sich über Mikrobien-Forschung informiert hat und mir die Telefonnnumer der Leiterin der Studie übermittelt. 

Was hat Sie dazu bewogen an der Studie teilzunehmen? Wie schnell stellten sich Erfolge bei Ihnen ein? 

In erster Linie Verzweiflung. Ich sah überhaupt keinen Ausweg aus den Beschwerden, die immer mehr meinen Alltag – und den meiner Lebensgefährtin – verschlangen. Ich hatte eher Sorgen, nicht in die Studie aufgenommen zu werden und wüsste bis heute nicht, was ich sonst für eine Lösung gefunden hätte, beziehungsweise ob ich eine andere Lösung überhaupt gefunden hätte.  

Wie oben beschrieben stellten sich die Erfolge sehr schnell – innerhalb von wenigen Tagen nach der ersten Behandlung – ein, und mit der Ausnahme von 10 Tagen dazwischen, wo es mir wieder schlechter gegangen ist, geht es mir und meiner Verdauung wieder gut. 

Wie sieht Ihr Leben/Alltag heute – nach der Transplantation – aus? Haben Sie noch Beschwerden? Wie ist es im Vergleich zu vorher? 

Es ist überhaupt kein Vergleich zu vorher. Mir geht es wieder gut, und jetzt, ein knappes Jahr nach der Behandlung, lerne ich auch, nicht gleich wieder Panik zu bekommen, wenn ich wieder “ Verstimmungen” habe. Natürlich reagieren mein Körper und meine Verdauung auf Essen oder auf Stress, aber es legt sich dann auch wieder. Das Gefühl eines post-traumatischen Erlebnisses hat länger angehalten als die primären Beschwerden. Erst als die Reizdarm-Behandlung gewirkt hat, habe ich angefangen das Ausmass von Stress zu verstehen, der sich über die Monate über mich gehäuft hat. Der psychische und energetische Wiederaufbau hat insofern wesentlich länger gedauert. Der Lockdown und der damit erzwungene Bewegungsstop durch Covid-19 war auch – ohne die schrecklichen Auswirkungen des Virus in irgendeiner Form verringern zu wollen – für mich persönlich in diesem Zusammenhang auch hilfreich. So konnte ich innehalten, und den durch die FMT-Behandlung wiedergewonnenen körperlichen Ausgleich endlich zulassen. 

In 2017, Zahra Mani was awarded the OUTSTANDING ARTIST AWARD FOR COMPOSITION by the Austrian Cultural Ministry