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Telemedizin: Neue Wege zum Patienten (2)

Im ersten Teil über Digitalisierung wurden bereits einige Optionen angedeutet, die helfen sollen, die Gesundheitsversorgung zu unterstützen und zu verbessern – und zwar nicht nur für Patienten. Ein Großteil dieser Möglichkeiten kann unter den Begriff „Telemedizin“ subsummiert werden, wobei damit IT-gestützte technologische Verfahrensweisen im Gesundheitswesen gemeint sind, die eine bessere und umfassendere Patientenversorgung ermöglichen und finanzielle Einsparungspotenziale realisieren sollen. Sie sind einrichtungs-, zeit- und ortsübergreifend und erlauben behandlungsnahe medizinische Anwendungen, die eine direkte oder zeitversetzte Interaktion zwischen Ärzten (Gesundheitseinrichtungen) und Patienten oder zwischen Ärzten ermöglichen. Diese können medizinische Maßnahmen, Konsultationen oder Monitoring sein, aber auch in der Aus-, Fort- und Weiterbildung eingesetzt werden.

Ganz oben rangieren derzeit Apps und Anwendungen auf Smartphones. Zahlreiche Pharmaunternehmen bieten bereits solche zur Unterstützung ihrer Angebote an, aber auch unzählige unabhängige Optionen befinden sich am Markt. Vom Tracking und Kontrollieren der eigenen Vitalparameter (schon in zahlreichen Sportgeräten oder gar Zahnbürsten) bis hin zu passgenauen Therapieunterstützungen reicht eine weite Palette. Die Akzeptanz ist meist recht gut und bei geeigneter Performance ist z.B. die Therapietreue (Adhärenz) deutlich erhöht. Probleme könnten künftig im Überangebot und in einer mangelnden Abwechslung bestehen. Einen Schritt weiter gehen Angebote des direkten Video- oder App-Kontakts mit kompetenten Gesundheitseinrichtungen bis hin zur Ferntherapie. Während hier manches bereits in (ausländischen) Projekten ausgezeichnet funktioniert und z.B. viele Erstarztbesuche vermieden werden können, liegen die Hürden dabei eher im Abrechnungsdschungel. Ein nächster Schritt kann dann z.B. Virtual- oder Augmented-Reality-Brillen einbeziehen. Sowohl für Patienteninformationen und Trainings, für die Aus- und Weiterbildung von Gesundheitsberufen, als auch für den direkten Einsatz in Therapie-Settings (von der REHA bis zur Psychotherapie) eignen sich die jüngsten und immer realistischeren Datenbrillen hervorragend – und machen sogar Spaß. Aber auch die Telepathologie neben zahlreichen anderen Tele-Health-Optionen profitiert davon, wird doch der Umgang mit Daten, Diagnosen, Auswertungen, Vernetzungen usw. immer smarter und effizienter – letztlich zugunsten des Patienten. In diesen Kontext fallen auch Unterstützungen durch Künstliche Intelligenz, Deep Learning und Big Data, auf die an anderer Stelle gesondert eingegangen wird.

Eine Verbindung zu assistiven künstlichen Systemen wie etwa Robotern liegt dabei eigentlich auf der Hand. Allerdings weisen europäische Länder diesbezüglich deutliche Vorbehalte auf, ganz anders etwa zu Asien oder anderen Regionen. Vom Jobverlust durch Automatisierung bis hin zur Entmenschlichung und Weltübernahme der Blechgeräte reichen die Befürchtungen. Mag dabei manches sogar einen richtigen Kern treffen, so wäre es umgekehrt fahrlässig, die enormen Potenziale zu verspielen. Ob in der Pflege, bei medizinischen Interventionen oder im alltäglichen Leben: Einsatzgebiete für Robotersysteme sind beinahe unbegrenzt und die Technologie schreitet kontinuierlich voran. Dass mittlerweile ganze Operationen mit autonomen Robotern völlig fehlerfrei und ohne Nebenwirkungen durchgeführt werden können, ist dabei nur ein Aspekt. Gerade der drohende Personalmangel bei Gesundheitsberufen sollte für neue attraktive Angebote aufgeschlossen machen, zumindest dann, wenn die Systeme wichtige Parameter wie Sicherheit, Mobilität, Selbstständigkeit, Gesundheitsunterstützung, Benutzerfreundlichkeit usw. gewährleisten. Insbesondere der AAL-Bereich (ambient assisted living) wird diesbezüglich künftig einen wichtigen Sektor darstellen, so dass Menschen mittels technologischer Unterstützung lange ein selbstbestimmtes Leben in gewohnter Umgebung führen können. Zahlreiche Sensoren, Video-Schnittstellen oder Notfallsysteme unterstützen dabei ebenso wie beim alltäglichen Einkaufen, Kochen, Kommunizieren, Bedienen und Verwalten des Haushalts oder bei Gesundheitsdaten (Erheben von Gesundheitsparametern, Austausch von Informationen usw.). Auch das autonome Fahren gehört in diesen Zusammenhang. Der nächste Beitrag wird sich weiteren spannenden Digitaloptionen im Gesundheitswesen zuwenden.

Fotocredit: franz12/Adobe Stock

Dr. Andreas Klein ist Universitätslektor und Privatdozent für Systematische Theologie an der Universität Wien. Außerdem arbeitet er im Bereich Ethikbegleitung bei der Ethik Consulting Klein GmbH, einer unabhängigen Unternehmensberatung im Gesundheitswesen